Lean Office – Erfolgsgeschichte in Italien
In Italien durften wir eine Lean Office – ganzheitliche Optimierung von Team- und Prozessperformance – durchführen. Von den Mitarbeitern haben wir das Video als Abschiedsgeschenk erhalten – wir waren tief gerührt, denn so etwas habe ich in den über 12 Jahren von Prozessoptimierungs-Projekten noch nie erlebt.
Mitarbeitende dazu zu bewegen ihre eigenen Prozesse anzupassen, um eine bessere Team- und Prozessperformance zu erreichen, ist immer eine grosse Herausforderung. Die Unternehmen wollen Einsparungspotential von 15-25% sehen und die Mitarbeitenden ihre Jobs behalten.
Diesen Spagat als Bereich und als Projekt-Team hinzukriegen, ist nicht einfach und darf auf keinen Fall unterschätzt werden. Es braucht von der Projekt-Leitung sehr viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen für die Situation der Mitarbeitenden. Ein offenes Ohr haben für die Themen, die den Mitarbeitenden Angst und Sorgen bereiten. Wenn man es schafft ein kollegiales Verhältnis aufzubauen, ein Gefühl von Win-Win, dann wird das Projekt ein Erfolg. Und es müssen immer beide Seiten, also Business und Projekt, bereit sein, den Weg gemeinsam zu gehen. Und dies haben wir in Italien mehr als nur erreicht.
Offene, ehrliche und transparente Kommunikation
Ich bin immer der Meinung, dass man offen und ehrlich kommunizieren muss, transparent und zwar so viel wie möglich zum richtigen Zeitpunkt. Meinem Team sage ich jeweils: Es gibt sicher Dinge, die ich euch heute nicht sagen darf und das werde ich respektieren. Aber ich werde euch nicht anlügen. Das heisst, wenn ihr mir eine Frage stellt, werde ich euch antworten, auch wenn die Antwort lautet, dass ich darüber nicht reden darf. Da mögen die Meinungen stark auseinander gehen, aber ich bin in Change Projekten und auch als Manager immer sehr gut damit gefahren. Mitarbeitende werden viel zu oft als unmündige Kinder behandelt, denen man nicht sagen kann, was gerade passiert und warum ein solches Projekt durchgeführt wird. Mitarbeitende sind aber erwachsene Menschen und nicht dumm. Wenn man also mit Offenheit und Ehrlichkeit an die Sache herangeht, statt die Mitarbeitenden anzulügen, wird man gemeinsam erfolgreich.
Die Manager haben aber die Befürchtung, dass die Mitarbeitenden die Firma verlassen, wenn man ihnen sagt, dass man das Projekt durchführt um zu sparen, auch an den Mitarbeitern. Auf meine Frage: Ist es denn nicht genau das Ziel, dass man mit dieser Art von Projekt hat? Kommt dann die Antwort: Ich will nicht das die guten Mitarbeitenden gehen, sondern die weniger effizienten.
Die Guten werden aber gehen, weil sie es 1. können und 2., weil sie ihrem Management nicht mehr vertrauen, weil sie angelogen werden. Somit bin ich der Überzeugung, dass Ehrlichkeit zum Ziel führt. Transparenz führt zu Vertrauen und dies wiederum zu Akzeptanz etwas zu verändern und umzusetzen zu wollen. Gemeinsam mit dem Team und dem Leader etwas für die Weiterentwicklung der Firma zu tun.
Denkt daran; einem Leader, einem Vorbild folgt man in den “Krieg”, einem Boss kehrt man den Rücken, wenn man die Möglichkeit hat.
Einstellungssache
Und auch in Italien fuhren wir mit dieser Einstellung sehr gut. Mit viel Freude, Engagement und Herzblut wurden die verschiedenen Tools in den Teams implementiert, obwohl sie wussten, was dies am Ende bedeutete.
Wir haben es geschafft den Mitarbeitenden etwas mit auf den Weg zu geben, was einem Teil von ihnen für ihre weitere berufliche Karriere heute von Nutzen ist. Das wir in Italien so ein erfolgreiches Projekt hatten, war mitunter der Einstellung des Management zu verdanken.
Wie bin ich nun an die Sache ran gegangen, dass das Projekt ein Erfolg wurde?
Vorbereitung des Projektes – Pre-Define
Als Projekt- oder Programmleiterin ist es mir immer sehr wichtig, bereits schon vor dem offiziellen Beginn eines Projektes die verantwortlichen Personen kennen zu lernen. Mit ihnen eine persönliche Bindung aufzubauen, verstehen was ihre Treiber sind und wo allenfalls Hindernisse auftreten können. Man kann sich vorstellen, dass dies nicht jedes Mal von Anfang an funktioniert, denn Veränderungen bringen oftmals auch Ängste mit sich, auch bei gestandenen Manager:innen. Doch mit der Zeit, der gemeinsamen Arbeit legen sich die Ängste und es kommen immer mehr konstruktive Vorschläge zum Vorschein, welche die Zusammenarbeit befruchten.
Leider war es mir nicht möglich die Pre-Define Phase in Italien durchzuführen, da ich noch in einem anderen Projekt gebunden war, aber es gibt ja heute gute Wege, dies mit anderen Medien zu tun. Der Aufwand ist via Telefon jedoch höher, denn die Bindung wird jeweils bei einem persönlichen Gespräch schneller vertieft. Man hat viel schneller eine Sympathie oder Antipathie für das Gegenüber. Es ist schwieriger ein Projekt durchzuführen, wenn man eine Abwehrhaltung vom Business erfährt. Doch auch das hat mit Ängsten zu tun und es sind immer persönliche. Diese gilt es zu verstehen und aus dem Weg zu räumen, mit viel Empathie. Wenn man sich diese Zeit nicht nimmt, wird die Implementierung schwieriger.
Zusammenstellen der relevanten Unterlagen
Selbstverständlich gehört nicht nur das persönliche kennenlernen zur Pre-Define Phase dazu sondern auch das zusammensuchen aller relevanten Informationen für das Projekt. Falls etwas nicht vorhanden ist, wird dies dann im Verlaufe des Projektes erarbeitet.
- Aufstellung /Übersicht aller vorhanden Prozesse – Prozesshaus
- Prozesszeichnungen
- Verarbeitetes Volumen und -Zeiten, alle relevanten Kennzahlen um den Prozess messbar zu machen
- Steuerungskennzahlen auf Teamlevel, KPI’s
- Organisationsstruktur
- Fähigkeitsmatrix der Mitarbeitenden
- Trainingsunterlagen
- Und weitere Dokumente und Informationen, welche eine ganzheitliche Übersicht der Bereiche aufzeigen
Ich versuche mir immer einen kompletten Überblick zu verschaffen. Alle Bereiche eines Unternehmen sollen beleuchtet und optimiert werden, denn da gibt es viele Kostentreiber und sollte nicht eindimensional auf Mitarbeitende reduziert werden. Lagerkosten, Papier, Stauraum, ungenutzte Flächen etc. um da einige zu nennen. Die Lean 5 Lenses Methode geht genau darauf ein und unterstützt auch einen nachhaltigen KVP Prozess.
In dieser Vorbereitungszeit wird auch das Projekt-Team zusammengestellt. Vom Business die jeweiligen Experten und vom Projekt her die Projektmitarbeitenden. Und dann startet das für alle Beteiligten sehr intensive Projekt. In Italien blieben wir 14 Wochen und durften das Management und das Business im Change begleiten: Zu einer sich stetig selbstständig verbessernden Organisation.
Analyse Phase
Einstellung und Verhalten
Das Projekt starte ich immer mit einem Collagen Workshop oder Interviews der Mitarbeitenden. Ich möchte verstehen, wie es um das Team und um die Unternehmung steht und zwar aus der Perspektive der Mitarbeitenden. Probleme sollen an die Oberfläche kommen, in einem geschützten Rahmen, in welchem Vertrauen herrschen muss. Dadurch öffnen sich die Mitarbeitenden auch für die späteren Themen, die wir angehen.
Alle Bereiche zu beleuchten ergibt ein Gesamtbild und daran gilt es dann zu arbeiten. So werden alle Dimensionen einer Unternehmung abgedeckt.
Value Stream Mapping / VSM
Für jeden Workshop muss man sich vorrangig überlegen, wen man einladen soll und muss. Beim Prozessthema ist es immer gut, wenn man die Schnittstellen gleich von Anfang an mit dabei hat. Diese können so voneinander lernen und verstehen, warum die Kollegen gewisse Schritte anders tun, als man diese im nachgelagerten Prozess gebrauchen könnte.
Alle Prozesse werden mittels einer Value Stream Map (VSM) oder MIFA (Material, Information, Fluss, Analyse) aufgenommen. Die Probleme werden sichtbar gemacht und an der Lösung dieser, arbeiten jeweils das Projekt und auch das Business gemeinsam zusammen.
Kunden
Verstehen und wissen wir, wer unsere Kundschaft ist? Zum einen sind unsere Kunden sicher diejenigen, welche die Produkte kaufen, aber es gibt auch interne Kund:innen, unsere Partner und auch Mitarbeitende, welche ich zu meinen Kunden zähle. Aber für die Analyse spielt das keine Rolle. Ich versuche herauszufinden, was der Kunde als Produkt will, denn wenn ich etwas herstelle, das dem Kunden so nichts nutzt, dann schiesse ich am Ziel vorbei. Und auch intern sind dies dann diejenigen Tätigkeiten, welche keinen Mehrwert erzeugen und allenfalls von der übernehmenden Abteilung überarbeitet werden müssen.
Team- und Performance Management
Ich habe bis jetzt in all den Jahren, in denen ich Projekte leite und Teams als deren Leader übernommen habe, erst ein Team getroffen, welches die Performance des Teams und der “Produkte” gemessen hat. Kein anderes Team wusste, wie viel sie produzieren können, und wie gut ihre Mitarbeitenden sind in punkto Qualität oder auch Leistung.
Wie kann man sich und das Team verbessern, wenn man keine Basis hat? Wenn man nicht weiss, wie gut man den Prozess verarbeitet? Geht nicht. Auch am Ende eines Projektes: Wie will man den Erfolg messen, wenn man am Anfang nicht weiss, wie gut man wirklich war?
Organisation und Fähigkeiten
Passt eigentlich die vorhandene Organisation und die Fähigkeiten unserer Mitarbeiter in die Prozessstruktur? Haben wir die richtigen Mitarbeitenden am richtigen Ort um die Prozesse in der geforderten Qualität und Geschwindigkeit zu verarbeiten? Diese wichtigen Fragen müssen wir im Rahmen des Projektes klären.
Change Management / Begleitung der Mitarbeitenden
Wichtig zu verstehen ist, dass Change nicht einfach ein losgelöstes Element ist, das irgendwann während des Projektes auftaucht und wieder verschwindet, oder erst am Schluss kommt. Wenn du etwas verändern willst, kannst du als Projektleiter nicht einfach die Lösung hinstellen, sondern musst diese gemeinsam mit denjenigen erarbeiten, welche die Änderungen nachher auch im Alltag umsetzen müssen. Ist zwar am Anfang ein höherer Aufwand, dafür funktioniert die Implementierung ohne grössere Probleme, denn es ist nicht die Idee vom Projektleiter/externer Person, sondern von den Mitarbeitenden/Team und die Akzeptanz ist wesentlich höher. Wir vom Projekt sind diejenigen die die Mitarbeitenden befähigen um die Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen, wir bringen das Methoden-Wissen, begleiten und coachen sie bei der Umsetzung.
Change Management muss das Projekt von Anfang an machen. Mitarbeitende schulen, coachen, begleiten, zuhören wenn sie etwas bedrückt, Ideen aufnehmen, Wertschätzung gegenüber bringen. Viele Projektleitende vergessen und meinen, dass sie einfach ein Konzept erarbeiten und es dem Bereich hinlegen können und das dann die Implementierung von alleine geht. Persönlich habe ich das noch nie erlebt. Darum ist es für mich essenziell, das ich die Mitarbeitenden von Anfang an involviere und so die Implementierung sicherstelle.
Design /Planung
In der Phase „Analyse“ haben wir die Probleme der Bereiche gesammelt und in einer Liste aufgenommen. Nun geht es daran, die Probleme so genau wie möglich zu beschreiben um dann die Ursachen dieser Probleme zu evaluieren. Bevor wir das Problem nicht kennen, sollten wir uns nie an die Lösung wagen.
Einstein hat mal gesagt: Wenn ich 60 Minuten Zeit habe um ein Problem zu lösen, würde ich mir 55 Minuten Zeit nehmen um das Problem zu verstehen und 5 Minuten um die Lösung zu erarbeiten. Genau so gehe ich auch vor und nutze jeweils die Fragen der 6-W’s.
Wenn ich nun in einem Projekt sehr viele Probleme finde, muss ich diese natürlich auch priorisieren, denn wir können unmöglich an allen gleichzeitig arbeiten und alle sind auch nicht gleich wichtig. Wenn ich das Problem beschrieben und auch quantifiziert habe, sehe ich sofort, wie hoch die Priorität ist und pflege diese in die Priorisierungs-Matrix ein, so dass die Priorität jedes einzelnen Problems für alle transparent und nachvollziehbar ist.
Danach mache ich mich an die Ursachenforschung und dies mit verschiedenen Methoden/Tools wie 5why’s oder Ischikawa.
Wichtig ist, das wir die Umsetzung der Lösung wie ein Miniprojekt behandeln. Es hat einen klaren Start- und Endpunkt, hat definierte Verantwortlichkeiten und jemanden, der die Übersicht über alle Projekte hat und deren Umsetzung sicherstellt.
Implementierung der Lösungen
Nun geht es an die Umsetzung der gemeinsam erarbeiteten Lösungen. Es kann Probleme geben, welche gleichzeitig kurzfristige, mittelfristige und auch langfristige Lösungen beinhalten. Ich höre immer wieder, dass man ein IT-System braucht, damit das Problem gelöst werden kann. Mag mit unter sicher auch eine valable, aber langfristige Lösung sein. Und in der Zwischenzeit? Einfach nichts tun? Nein, es gibt fast immer einen Weg mit einem vertretbaren Aufwand einen angemessenen Ertrag zu erzielen, ohne dass die IT involviert ist.
In meiner meiner Rede zum Projektauftakt habe ich mit den Mitarbeitenden eine Wette abgeschlossen. Ich hatte gesagt, dass 80% der eingereichten Ideen, aufgetauchten Probleme OHNE IT-Budget umgesetzt werden können, was mir natürlich nicht geglaubt wurde. Nach dem Projekt konnte ich dies selbstverständlich beweisen, dass tatsächlich über 80% der Probleme ohne IT-Budget behoben werden können. Nichts desto trotz sollte man sich im Management überlegen, IT-Budget auf die Seite zu legen um gute Ideen, welche einen Vorteil bringen, auch umsetzen zu können. Auch dies zeigt auch, dass ihr bereit seid in die Ideen eurer Mitarbeitende zu investieren und das bringt Motivation und diese wiederum steigert die Effizienz.. Glückliche und zufriedene Mitarbeitende arbeiten besser, machen weniger Fehler und sind effizienter.
Befähigt eure Mitarbeitenden, gebt ihnen Vertrauen und Freiraum um sich zu verwirklichen. Jeder wird gewinnen!
Eure Lara