TIMWOOD’S hat ausgedient – zumindest im Büro (MINDSPACE)
Seit über zwanzig Jahren unterstütze ich Unternehmen bei der Optimierung ihrer Prozesse. Lean-Methoden, kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) und klassische Verschwendungsanalysen gehören zu meinem täglichen Handwerkszeug. Doch kürzlich brachte mich eine scheinbar einfache Frage ins Grübeln: „Kennst du die MUDAs in der Administration?“ – „Natürlich“, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen, „TIMWOOD’S, ganz klar.“ Dann folgte jedoch der entscheidende Zusatz: „Ich meine nicht die aus der Produktion übertragenen, sondern die wirklich spezifischen Arten von Verschwendung in der Administration.“ In diesem Moment war es plötzlich still – und mir wurde bewusst, dass hier eine Lücke klafft. In diesem Beitrag mache ich mit MINDSPACE einen Vorschlag für MUDAs in der Administration.
TIMWOOD’S im Büro – kopiert, aber selten hinterfragt
Viele Lean-Praktizierende übertragen TIMWOOD’S eins zu eins auf Büroprozesse. Die sieben bzw. acht Muda-Arten aus der Fertigung werden in administrative Begriffe „übersetzt“ – von Transport bis zu Defects.
Das Problem: Diese Denkweise ist für Wissensarbeit nicht stimmig:
- Was bedeutet „Transport“ in einer digitalen Arbeitsumgebung, in der Dateien verloren gehen oder falsch abgelegt werden?
- Wie sieht „Overproduction“ aus, wenn E-Mails endlos im CC landen?
- Was ist „Motion“, wenn niemand sich physisch bewegt, sondern in Systemen hin- und herklickt?
Man kann vieles interpretieren – doch trifft es wirklich den Kern dessen, was in der Administration täglich passiert?
Die unsichtbare Verschwendung in der Administration
Während Verschwendung in der Produktion oft buchstäblich vor Augen liegt – defekte Teile, Materialreste, Maschinenstillstand – ist sie im Büro subtiler.
Beispiele gibt es genug:
- Meetings ohne klares Ziel
- Excel-Tabellen, die zwar gepflegt, aber nie genutzt werden
- E-Mail-Verläufe, die keinen Mehrwert bringen
- Unabgerufenes Wissen im Team
- Abläufe, die nur auf Zuruf funktionieren und nirgends dokumentiert sind
Diese Formen der Verschwendung sind nicht nur schwer zu messen – sie sind oft so normalisiert, dass sie niemand mehr hinterfragt. Was in der Produktion an Effizienzgewinnen erarbeitet wird, geht im administrativen Umfeld oft wieder verloren. Gerade in Bereichen wie Projektmanagement, HR, IT, Buchhaltung oder Teamleitung steckt heute ein erheblicher Teil der Wertschöpfung – und damit auch viel ungenutztes Potenzial. Wer Operational Excellence ernst meint, muss auch den Bürobereich unter die Lupe nehmen (Office Excellence).
Ein neuer Ansatz: MINDSPACE – 9 Arten der Verschwendung im Büroalltag
Anstatt Produktions-Logiken krampfhaft zu übersetzen, ist es sinnvoll sein, eigene Kategorien für administrative Verschwendung zu entwickeln. Mein Vorschlag:
- M – Multitasking: Ständige Unterbrechungen, Fokusverlust, ineffizientes Springen zwischen Aufgaben
- I – Informationsflut: Übermässige E-Mails, unstrukturierte Kommunikation, fehlende Relevanzfilter
- N – Nicht genutzte Intelligenz: Ungehörte Ideen, mangelnde Einbindung, brachliegendes Know-how
- D – Doppelarbeit: Mehrfachpflege von Listen, redundante Daten, parallele Prozesse
- S – Schnittstellenverluste: Medienbrüche, Abteilungsgrenzen, unklare Verantwortlichkeiten
- P – Prozessblindheit: Veraltete Abläufe, fehlende Prozesssicht, „Das haben wir immer so gemacht“
- A – Ausweichverhalten: Konfliktvermeidung, Entscheidungsaufschub, passives Nicht-Handeln
- C – Controlling-Overkill: Berichte ohne Nutzen, Kennzahlen ohne Steuerungswirkung
- E – Erfolgsblindheit: Output ohne Bezug zum Kundennutzen, Aktivität ohne Wirkung
MINDSPACE: Lean Administration beginnt bei der Haltung
MINDSPACE ist kein Dogma – sondern ein Werkzeug, um über echte Büro-Verschwendung zu sprechen und gezielt hinzusehen.Wer im administrativen Umfeld Verschwendung reduzieren will, muss den gleichen Anspruch wie in der Produktion anlegen – und das beginnt bei der Führung.
Das bedeutet:
- Büroprozesse sichtbar machen
- Auch „schwer Messbares“ erfassen
- Verschwendung offen ansprechen – ohne Schuldzuweisung
- Mitarbeitende einbinden
- Regelmässig hinterfragen und verbessern
TIMWOOD’S war ein wertvoller Startpunkt, um Verschwendung zu erkennen. Doch Lean Administration braucht eine eigene Sprache. MINDSPACE ist mein Vorschlag für einen solchen Ansatz. Was hältst du davon?